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Christian Felber

Geld als
öffentliches Gut

Hier findest Du die Lösung "Geld als öffentliches Gut", mit allen Antworten von Christian Wort für Wort, damit Du Dir im Detail ein Bild machen kannst.

Einführung

Welche Probleme müssen behoben werden? Aus welcher Perspektive kommt die Lösung, also was soll sie leisten? Und was sind die wichtigsten Definitionen und Begriffe für diese Lösung?

1. Ausgangspunkt und Probleme: 

Welche zentralen Probleme im heutigen Geldsystem sollen mit dieser Lösung gelöst werden? 

Machtkonzentration, Ungleichheit, systemische Instabilität, grenzenlose Gier, Konkurrenz, Wachstumszwang, Umweltzerstörung, Angst, Stress, Burnout, Entfremdung, Materialismus, Krankheiten aller Art. Rendite-Denken und Profitstreben würden einer systemischen Gemeinwohlorientierung weichen. Das „Casino“, derjenige Teil des Finanzsystems, in dem es nicht um die Unterstützung und Förderung nachhaltiger realer Wirtschaftsaktivitäten geht, sondern primär darum, aus Geld mehr Geld zu machen, würde geschlossen. Die vorherrschende Außen- und Mittelorientierung würde durch eine stärkere Innen- und Wertorientierung abgelöst.

 

2. Voraussetzungen: 

Welche wirtschaftlichen, politischen, sozialen oder reformerischen Bedingungen müssen erfüllt sein, um diese Probleme zu lösen? 

Die Spielregeln für das Geld- und Finanzsystem sollen partizipativ-demokratisch zustande kommen und neu geschrieben werden, über Finanzbürger*innenräte, demokratische Geldkonvente und bottom-up-initiierte Volksabstimmungen. In der ökonomischen Bildung soll ein neues Bild von Wirtschaft – ein Verbund verschiedener gemeinwohlorientierter Aktivitäten zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse – vermittelt werden. Das Geld- und Finanzsystem soll als Teil dieser Gemeinwohl-Ökonomie dargestellt, die Rolle von Geld kritisch beleuchtet und als ein Mittel zur Mehrung des Gemeinwohls neu bedeutet werden.

3. Ziele: 

a) Welche großen Ziele werden mit der Lösung angestrebt?

Souveräne Demokratie (tiefer, direkter, partizipativer als heute, mit getrennteren Gewalten), Ökosystemstabilität, Finanzstabilität, Verteilungsgerechtigkeit, sozialer Zusammenhalt, Vertrauen, Geschlechtergerechtigkeit, Nord-Süd-Reparation, Postkolonialismus, Postpatriarchat, Naturverbundenheit.

 

b) Welche Unterziele werden zur Erreichung der großen Ziele angestrebt?

Steady-State-Ökonomie / Postwachstumsgesellschaft,Vollbeschäftigung, Zero Armut, begrenzte Ungleichheit, geringe Inflation, demokratische Zentralbanken und Geldpolitik, begrenzte öffentliche und private Schulden, ausgeglichene Leistungsbilanzen.

4. Definition und Bezugstheorien

a) Wie wird "Geld" in diesem Kontext definiert?

Als Mittel für das Gemeinwohl, als öffentliche Infrastruktur, funktional als Zahlungsmittel, Produktionsmittel, Vermögensspeicher und Wertmaß.

b) Gibt es spezifische Merkmale oder Eigenschaften des Geldes, die in dieser Lösung betont werden?

Es soll konsequent Mittel im Dienst des demokratisch definierten Gemeinwohls und dessen Teilziele und Werte stehen.

c) Gibt es spezifische Termini oder neue Konzepte, die in dieser Lösung verwendet werden und erklärt werden müssen? Welche relevanten Bezugstheorien oder Ansätze beeinflussen diese Lösung?

Öffentliches Gut, Souveränage, Gemeinwohl-Banken, Gemeinwohl-Börsen, Gemeinwohl-Produkt, Gemeinwohl-Prüfung, Gemeinwohl-Ökonomie, Gemeinwohl-Bilanz, Ethischer Welthandel, Globo, Bretton Woods II.

d) Welche relevanten Bezugstheorien oder Ansätze beeinflussen diese Lösung?

Vollgeld-Theorie, Positive Money, MMT, Wachstumskritik, Heterodoxe Ökonomik, Ecological Economics, Feministische Ökonomik, Keynesianismus, Keynes-Plan, Tax Justice, Postkoloniale Studien, Aristoteles’ Unterscheidung zwischen „oikonomia“ und „chrematistiké“.

Die Lösung

Warum baue ich die Lösung so, um die geschilderten Probleme lösen zu können? Wie werden das neue Geld, seine Institutionen und damit das neue Geldsystem gestaltet und wie trägt es so zur Erreichung der Zielstellung bei?

5. Die Lösung:

a) Geldschöpfung: Wie wird das Geld geschaffen und in Umlauf gebracht?

Via öffentliche und demokratische Zentralbanken, durch Prägung von Münzen, Druck von Scheinen und per Mausklick am Computer.

b) Deckung: Wodurch ist das Geld gedeckt?

Durch die Wirtschaftsleistung. Eine über den Konjunkturzyklus konstante Korrelation könnte angestrebt werden, z.B. 50 oder 75 Prozent des BIP. Dieser Wert kann auf Basis von Erfahrungen angepasst werden.

c) Geldmenge: Wie wird die Geldmenge kontrolliert und reguliert?

Siehe vorige Antwort: Wächst die Wirtschaft, wird die Geldmenge im Gleichschritt erhöht, schrumpft sie, kann die Geldmenge verringert werden. Dies jedoch antizyklisch. MMT zum Zwecke des Klimaschutzes oder der Vergütung von Care-Arbeit kann zu einer Vergrößerung der Geldmenge führen, dann ist die Inflation im Auge zu behalten.

d) Kredit und Schulden: Wird Geld weiterhin durch Kredit erzeugt? Gibt es in Fällen Zins und Zinseszins?

Bevorzugt als Aktivum, dann kommt es als Geschenk der staatlichen Zentralbank in Umlauf. Nachteil: Der Geldumlauf ist dann nicht in der Zentralbankbilanz abgebildet. Das Positivzinssystem mit seiner negativen Umverteilungswirkung (viele Nettozinsverlierer*innen und wenige Nettozinsgewinner*innen) könnte durch ein Negativzinssystem mit positiver Verteilungswirkung (wenige Nettozinsverlierer*innen und viele Nettozinsgewinner*innen) abgelöst werden. Der Markt(kredit)zins läge in einem solchen System bei null, um einen Wachstumstreiber zu vermeiden.

e) Finanzmärkte: Wo liegt die Notwendigkeit von Kapital-, Devisen- und Aktienmärkten?

Kapital- und Aktienmärkte: Regionale Gemeinwohl-Börsen versorgen sinnvolle und nachhaltige Unternehmen mit zinsfreiem Eigenkapital, als Ergänzung zum zinsfreien Fremdkapital von Gemeinwohl-Banken. Die Aktien sind nur rückgebbar, nicht handelbar. Devisenmärkte: In einem Bretton Woods II-System mit einem Globo als globaler Handelswährung gäbe es keine Devisenmärkte im heutigen Sinn mehr. Währungstäusche liefen über den Globo über fixe Wechselkurse, die an realwirtschaftliche Kennzahlen angepasst werden. Alle teilnehmenden Länder hätten ein Globo-Konto bei einer Internationalen Clearing-Stelle (Keynes-Plan). Währungstäusche sind nur für realwirtschaftliche Aktivitäten (Handel, Tourismus, Investitionen) möglich.

f) Kapitalakkumulation: Ist es weiterhin möglich aus Geld mehr Geld zu machen? Wie entsteht Profit? Und braucht es weiterhin Eigenkapital?

Es gäbe weder Sparzinsen noch Dividenden noch Kursgewinne, also keinerlei Kapitaleinkommen. Auch letztlich keine Gewinnausschüttungen mehr, stattdessen Gehälter und Unternehmer*innen-Löhne für reale Leistungen. Profit entsteht unverändert aus dem Überschuss der Einnahmen gegenüber der Ausgaben eines Unternehmens. Jedoch wären diverse Gewinnverwendungen nicht mehr möglich, z. B. renditegetriebene Finanzinvestitionen, feindliche Übernahmen oder Parteispenden. Unternehmen sind zur Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz verpflichtet, die eine Profitorientierung erschwert bis verunmöglicht. Eigenkapital ist unverändert nötig, es wird auch nicht mehr verzinst, s. o.

g)    Ökonomische Bewertung: Weiterhin BIP? Wie werden ggf. sozial-ökologische Kriterien definiert und kontrolliert?

Ein demokratisch komponiertes Gemeinwohl-Produkt ersetzt das BIP, dessen Teilziele werden bottom-up vom demokratischen Souverän definiert, die messbaren Indikatoren top-down von der interdisziplinären Wissenschaftsgemeinde. Die betriebliche Gemeinwohl-Bilanz und die finanzwirtschaftliche Gemeinwohl-Prüfung werden vom Gemeinwohl-Produkt abgeleitet.

h)    Zentralbanken: Was ist die Rolle der Zentralbank(en)?

Geldausgabe durch -schöpfung, Refinanzierung von Banken, zinsfreie Kreditierung des Staates (MMT), antizyklische Geldpolitik, Vollbeschäftigung, Finanzsystemstabilität, Preisstabilität.

i)    Banken & Finanzinstitute: Welche Rolle spielen Banken oder andere Institutionen in diesem Geldsystem?

Siehe Artikel 157 der bayerischen Verfassung: „Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner.“ Aufgabe von (Gemeinwohl-)Banken ist demnach die (zinsfreie) Kreditierung der nachhaltigen Realwirtschaft. Regionale Gemeinwohl-Börsen versorgen Unternehmen in der Region (zusätzlich) mit Eigenkapital.

j)    Regulierung: Braucht es weiterführende Regulierung in der Lösung? Was ist mit bestehender Banken- und Finanzmarktregulatorik?

Das Systemdesign des Geld- und Finanzsystems würde über demokratische Geldkonvente geändert, auch in einigen Grundelementen wie der Vollgeld-Reform oder dem Beschluss eines Bretton Woods II-Abkommens. Regulierung betrifft das Finetuning, z. B.: Banken dürften keine Gewinne mehr ausschütten, sie dürften nur noch die Realwirtschaft kreditieren, alle Finanzierungen dürfen nur nach bestandener Gemeinwohl-Prüfung getätigt werden.

Größerer Kontext

Unsere Gesellschaft und auch die Zukunft des Geldes bewegen sich in einem Spannungsfeld von grundsätzlichen Fragen. Wie verhält sich oder bettet sich die Lösung in diese Marko-Fragen?

6. Demokratie, Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft

a)    Wie wichtig ist die Demokratisierung der Gesellschaft für die Lösung und gibt es konkret vorgeschlagene Maßnahmen dafür?

Das Modell der „Souveränen Demokratie“ ist die prozessuale Zwillingsschwester der Gemeinwohl-Ökonomie, das gilt auch für das gemeinwohlorientierte Geld- und Finanzsystem. Über Finanzbürger*innen-Räte oder Demokratische Geldkonvente kann zum Beispiel die Gewinnorientierung von Banken beendet oder die Ungleichheit begrenzt werden.

b)    Marktwirtschaftliche Prinzipien werden beibehalten?

Ja, jedoch reduziert sich die Bedeutung von Märkten auf eine von mehreren Bühnen des Wirtschaftens. Weitere sind: öffentliche Güter und Dienstleistungen,

 

c) Wird die heutige Rolle des Eigentums in einer Form angetastet?

Es wird sechs prinzipiell gleichberechtigte Eigentumsformen geben: Öffentliches, privates, kollektives, gesellschaftliches Eigentum sowie die Nutzung von Natur und der nutzungsfreie Schutz von Natur. Alle sind in der Verfassung geregelt durch Grenzen und Bedingungen. So entstehen Pluralität, Stabilität und Resilienz.

 

d) Wird die zunehmende Digitalisierung & Automatisierung in der Lösung berücksichtigt?

Diese ist kein Selbstzweck, sondern wie jede technische Anwendung Mittel zum Zweck der Menschenwürde, von mehr Demokratie, höherem sozialen Zusammenhalt, tieferer Nachhaltigkeit. Technische Infrastrukturen, die diesen Zielen zuwiderlaufen, werden nicht umgesetzt.

e) Wo ist die Lösung auf einer Achse von Zentralisierung-Dezentralisierung (Staat vs. Privat) anzusiedeln?

Staaten werden tief demokratisiert durch souveräne Demokratie, dadurch dezentralisiert, die Wirtschaft wird dank Ethischem Welthandel regionalisiert, deglobalisiert. Langfristig könnte es ein globales Konzert von souveränen Bioregionen geben – oder Kleinstaat*innen:).

 

f) Welche Rolle nimmt die „ökologische Frage“ in der Lösung ein?

Das Leben und Wirtschaften innerhalb der planetaren ökologischen Grenzen ist eine Maxime aller Politikfelder und die Grundlage der Wirtschaftswissenschaft und ökonomischen Bildung.

 

​g)Wie steht die Lösung zur Wachstumsfrage und dem Gebot, immer weiter wachsen zu müssen?

BIP-Wachstum ist kein Ziel, das BIP wird es als ökonomisches Erfolgsmaß gar nicht mehr geben. Wenn „die Wirtschaft“ wächst, heißt das allenfalls, dass Gesundheit, Glück und sozialer Zusammenhalt wachsen und die Ökosysteme regenerieren, weil das die Ziele und Komponenten des Gemeinwohl-Produkts sind, das wäre gut.

Ausblick

Wo liegen Problemfelder für die Lösung und wie kann eine erfolgreiche Transformation gelingen?

7. Potentielle Problemfelder der eigenen Lösung: 

Jede in die Zukunft projizierte Idee und Lösung, besonders dieser Tragweite, bewegt sich im Unbekannten.

 

a) Welche Risiken oder negative Auswirkungen, könn(t)en bei der Lösung auftreten?

Geld an sich wird nicht abgeschafft. Sollte das Problem im Geld und seiner Entfremdungswirkung an sich bestehen, würde dieses nicht behoben. Gleiches gilt, abgeleitet, für Profit und Eigenkapital. Möglicherweise ist das Gesamtmodell der GWÖ insgesamt zu reformistisch.

 

b) Gibt es Themen, die in der Lösung kaum behandelt bzw. stark vernachlässigt? Wenn ja, warum?

1. Das Trennbankensystem, weil es m. E. nicht darum gehen soll, gutes und schlechtes/riskantes Banking zu trennen, sondern nur noch Good & Boring Banking zuzulassen. 2. Eine einseitige Zinskritik, weil es um alle Kapitaleinkommen und um Profit gleichermaßen geht. 3. Das bedingungslose Grundeinkommen wird unleidenschaftlich / agnostisch behandelt, zumal sich soziale Sicherheit für alle auch anders herstellen lässt: Aufwertung der Care-Arbeit zum öffentlichen Gut + Arbeitszeitverkürzung + Vollbeschäftigungspolitik + Solidaritätseinkommen. Vorgeschlagen wird das Recht auf vier Freijahre (Sabbaticals) im Lauf eines Erwerbslebens.

8. Transformation: 

Gibt es konkrete Empfehlungen für die Implementierung oder weitere Forschung? Gibt es Schritte oder Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten?

Die Vorbereitung, das Design und die Durchführung von demokratischen Geld- und Wirtschaftskonventen wäre sowohl ein sinnvolles Forschungsprogramm als auch die Herstellung der rechtlichen Grundlage für die Implementierung des ergebnisoffenen Gesamtparadigmas.

Kostenloses Booklet

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